Ein Gespräch zwischen meinem Mann und mir

Ich hatte heute Abend eine Unterhaltung nach dem Essen mit meinem Mann. Eine dieser Unterhaltungen, wo man merkt, dass es gerade ein gutes und wichtiges Gespräch ist. Ein von diesen Gesprächen, wo es sich um Gefühle und Bedürfnisse dreht. Ein Gespräch, das nachhaltig sind. Bei uns zwei kommt es regelmäßig, und gleichzeitig nicht sehr oft vor, jedoch oft genug!

Neues Alter, neues Verhalten

Es ging damit los, dass wir uns darüber unterhalten haben wie sehr sich das Ess- und Schlafverhalten unseres 12 jährigen Sohnes verändert hat und was es bei uns für Reaktionen auslöst. Gerade durch Homeschooling und Lockdown, konnte er seine innere Uhr eher ausgelebt werden. Das heißt: so spät wie möglich aufstehen. Am Wochenende dann auch mal gegen 13 Uhr. Manchmal sind die Mahlzeiten versetzt, manchmal isst er auch mit uns aber grundsätzlich gibt es 1-2 Mahlzeiten nach Mitternacht. Aber dem Wachstum nach, vollkommen begründet. Mich nervt es zwischendrin ein wenig, doch grundsätzlich weiß ich dass es entwicklungsbedingt ist und in diesem Alter typisch. Mein Mann nervt es etwas mehr.

Für die Atmosphäre und somit für Gefühle und Bedürfnisse in der Familie, sind immer die Erwachsenen verantwortlich

Und so kamen wir von A nach B und landeten bei einem Thema, wo wir beide einer Meinung sind. Und zwar dass die Stimmung bzw.der Umgang untereinander oft so gereizt und unfreundlich ist. Ich beobachte das schon länger und erkenne da eine Spirale, ein gewisser Teufelskreis. Je mehr die Kinder sich gegenseitig anpöbeln umso mehr meckern wir rum. Umso mehr wir meckern, umso unfreundlicher gehen sie wieder miteinander um…Wir befinden uns immer wieder im klassischen Drama-Dreieck

Für die Atmosphäre und somit für Gefühle und Bedürfnisse in der Familie, sind immer die Erwachsenen verantwortlich

Nachdem ich meine Gedanken meinem Mann erzählt hatte, fragte er mich nach einem konkreten Vorschlag, was wir den dann tun sollten wenn eins der Kinder dann anfängt sein Geschwister zu provozieren und es sehr schnell eskaliert. Und was dann kam, war eins dieser Momente, wo ich so dankbar bin für mein Job und all den Erfahrungen, die meine Klienten mit mir teilen. Denn ich habe überlegt was würde ich einem Vater sagen, deren Kinder jetzt nicht meine sind. Das war für mich und ich glaube auch für meinem Mann echt hilfreich, da ich für einen gewissen Moment meine Triggerpunkte etwas weniger stark gespürt habe.

Und das war das was ich ihm sagte:” Ich glaube nicht dass es hilfreich ist, nur zu überlegen wie man sich nächstes Mal genau verhalten sollte.”

Das “Eisbergmodell”

Warum ich davon überzeugt bin, will ich dir an dem Bild des Eisberges zeigen. Das Verhalten unseres Kindes, das wir als unangenehm empfinden, ist die Spitze des Eisberges. Unter der Wasseroberfläche stecken seine Gefühle und noch tiefer seine Bedürfnisse, also dass was er braucht damit es ihm gut geht, körperlich wie seelisch. Wenn ich nur über der Wasseroberfläche bleibe, und nicht schaue wie es darunter ausschaut, dann wird es nur kurzzeitig etwas bewirken und zwar oft nur wenn ich sehr manipulativ vorgehe.

Was kann ich als Papa oder Mama jetzt konkret also tun?

Tja, was heißt in der Praxis aber unter der Wasseroberfläche zu schauen und dort etwas zu verändern. In erster Linie heißt es erstmal geduldig sein, denn es braucht Zeit, etwas Mut und Einsicht. Ich sagte ihm: “ Der erste Schritt ist erstmal zu überlegen warum dich die Situation oder das Verhalten dich stört und was du brauchst. Denn erst dann, kannst du klar sein, um dann im zweiten Schritt zu überlegen was du selbst verändern kann. Denn unsere Kinder haben nicht unbedingt die Aufgabe für unser Wohlbefinden zu Sorgen. Die Verantwortung tragen wir selbst.”

Er überlegte und meinte ziemlich schnell: “ Mich stresst diese schlechte Stimmung und ich hätte gerne Ruhe”. Das konnte ich super gut nachvollziehen. Tja wie gesagt es ist nicht die Aufgabe unserer Kinder uns das abzuliefern, also was tun? 

Ich:” Überlege doch mal selbst was dir helfen könnte bzw. was vielleicht im Moment ungünstig ist. Zu wenig Sport, Stress in der Arbeit, wenig soziale Kontakte, wenig Ich-Zeit. Wenn ich das erkenne, kann ich aktiv etwas verändern ohne vom Verhalten anderer abhängig zu sein. Dann haben wir ja auch keine ganz kleinen Kinder mehr. Das heißt ich kann authentisch mit den Kinder darüber reden. Was mir aber bewusst sein muss, ist dass ich ihnen meine Gefühle und Bedürfnisse mitteile damit sie mich besser verstehen und nicht damit sie dann gleich ihr Verhalten ändern. Und das sollte keine Einwegstraße sein. Also sollen sie auch erzählen können wie sie das ganze erleben und was sie brauchen um eventuell das gewünschte Verhalten zu zeigen.

Eigene Baustellen kennen

Und da gibt es noch das Thema der eigenen Baustellen bzw. was bringe ich von meiner Kindheit und Jugend mit. Ich glaube nicht dass ich alles verarbeitet haben muss. Ich bin jedoch davon überzeugt dass es essentiell wichtig ist meine Trigger Themen zu kennen damit ich meine Kinder nicht für die unangenehmen Gefühle, die dann aufploppen, verantwortlich mache. Manchmal ist es nämlich der kleine Junge oder das kleine Mädchen in uns, das echt sauer ist dass unsere Kinder Sachen machen, die wir nie durften, z.B. mit 12 Jahren selber zu entscheiden was und wann ich etwas esse…;) oder Glaubenssätze, die unreflektiert im Raum stehen, uns einschränken oder belasten.

(Warum es so unfassbar wichtig ist, da genau hinzuschauen und warum es einigen Menschen so unfassbar schwer fällt werde ich genauer in einem weiter Blogbeitrag schreiben.)

Mein Mann ist ja Programmierer 

So richtig hat er, glaube ich gefühlt was ich meinte, als ich gesagt habe (denn ich kenne langsam seine Arbeit:)” Stell dir vor es gibt ein Bug. Entweder du hast eine schnelle und simplere Lösung, die aber das Problem nur kurzzeitig behebt. Auf Dauer ist der nächste Ärger vorprogrammiert (was für ein cooles Wortspiel) oder du baust was, was aufwändiger ist und länger dauert, wo du verschieden Bereiche anschauen muss, gleichzeitig aber nachhaltiger ist. Ab da wusste er sofort was ich meine.

Als er dann aber schon gerne ein konkreten Vorschlag wollte, was er denn tun könnte, meinte ich: ”Beobachte was dich stört, was du brauchst und vor allem Beobachte dich selbst. Wie redest du mit den Kindern wenn dich etwas stört oder du gestresst bist? Wie oft hast du angenehme und unbeschwerte Momente mit ihnen?” 

Und in diesem Moment sagte ich es ebenso zu mir selbst!

Veränderung braucht Zeit und Nachsicht ( mit uns selbst)

Und ja, im Alltag falle ich  immer wieder in alte Mustern und versuche schnelle Lösungen zu finden. Dann kommt aber der Moment, wo ich mich dabei erwische und es ändere. Es ist halt ein Prozess und wenn man ihn nicht alleine geht umso schöner und zwar jeder in seinem Tempo!

Was hälst du von dieser Perspektive? Welche Gefühle bewirken meine Gedanken bei dir? Kannst du da mitgehen oder fühlt es sich für dich nicht richtig an? Alle Kommentare sind erwünscht und wertvoll.

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