Heute kommt ein sehr persönlicher Text. Dieses Thema beschäftigt mich schon länger und wie so oft habe ich durch “meine” Kinder mehr Klarheit gefunden

Es stört mich schon eine Weile “Meine Kinder” zu sagen, aus einem ganz persönlichen Grund und zwar weil es sich für mich besitzergreifend anfühlt. Meine Kinder sind durch mich gekommen aber sie gehören mir nicht.

Es liegt nicht am Begriff

Mir ist klar dass es auf die Perspektive ankommt und dass man nicht der Meinung ist dass man seine Kinder besitzt nur weil man MEINE Kinder sagt. Ich sage auch weiterhin “Meine Kinder”. Ich wüsste nicht was ich sonst sagen sollte. Ich bin nur sehr dankbar dass mir aufgefallen ist, dass es mir unangenehm ist, so habe ich bei mir nachgebohrt und nachgedacht warum es mich so stört. Wie so oft habe ich die Antwort in meine Kindheit bzw. in der Beziehung zu meinen Eltern gefunden.

Die Beziehung zu meinem Vater

In dem Fall geht es speziell um die Beziehung zu meinem Vater. Du musst wissen dass sich meine Eltern getrennt haben als ich 5 Jahre alt war. Es war keine friedvolle Trennung, sondern ein böser Kampf mit großen Verletzungen und ewigen Gerichtsverfahren und mein Bruder und ich mittendrin. Ich bin dann bei meiner Mutter groß geworden und ging in den Ferien zu meinem Vater. So wurde es auch vom Richter entschieden.

Ich habe sehr früh sehr stark gespürt dass ich es meinem Vater schuldig bin, ihm seine Tochter zu geben, die meine Mutter, wie er immer sagt, ihm weggenommen hat. Und diese Verantwortung konnte ich erst vor wenigen Jahren ganz ablegen.  

Bedingungslose Liebe

Ich weiß dass mein Vater mich liebt. Was ich jedoch nicht spüre ist bedingungslose Liebe, Liebe, für das, was ich bin und nicht für das was ich sein soll. Seine Prinzessin, wie er mich oft nennt. Ich spüre kein Interesse für mich, für meinen Alltag, für meine Themen, für die ich brenne. Er hat mich noch nie hier in Deutschland besucht.(Er lebt in Frankreich, wo ich geboren und bis zum Alter von 9 Jahren aufgewachsen bin) und ich lebe seit 28 Jahren hier. Mein Bruder, der wie er, in Bordeaux lebt, hat er auch erst nach mehreren Jahren in seiner Wohnung besucht. Er erwartet jedoch dass wir ihn besuchen, denn wir sind SEINE Kinder. Es gibt sehr viele Beispiele, die mir bewusst gemacht haben dass er SEINE Tochter zwar liebt aber die hat nicht mehr viel mit der Frau zu tun, die ich heute bin. Er sieht es anders.

Es geht nicht um Schuld

Und nein ich bin ihm nicht böse und ich finde nicht dass er irgendeine Schuld trägt. Gelegentlich finde ich es traurig aber weniger, seit dem ich es so klar sehe und nicht mehr die Verantwortung dafür übernehme. Ich weiß dass mein Vater sein Bestes gibt. Ich sehe auch ein sehr verletztes Kind, das in ihm steckt. Wenn ich in seine Augen blicke, sehe ich diesen liebevollen kleinen Jungen, der viel zu viel aushalten musste und angefangen hat eine Mauer um sich aufzubauen und immer mehr narzisstische Züge bekommen hat. So viel Liebe wie er braucht, kann ich ihm gar nicht geben und es ist auch nicht meine Aufgabe. Ich spüre dass er mich liebt weil ich zu ihm gehöre, eher wie ein Körperteil. Er hat zu wenig Liebe gespürt, also musste er sich selbst lieben…

Bei meiner Mutter nehme ich was anderes wahr. Ich fühle mich mehr gesehen und tatsächlich bedingungslos geliebt. Inzwischen weiß ich und spüre ich dass es nicht heißt dass sie die Gute ist und er der Böse, sondern dass er sein Bestes gegeben hat mit den Möglichkeiten, die er zu Verfügung hatte. Das hat für mich leider oft nicht gereicht. Meinem Vater geht es heute psychisch, wie physisch leider nicht sehr gut. Ich denke ein wichtiger Grund dafür ist, dass er als Kind emotional selten das bekommen hat, was er gebraucht hätte. Auch wenn er behauptet dass jede einzelne Ohrfeige genau richtig war. Aber das ist ein Thema für sich.

Auswirkungen auf mein Leben

Was hat das für Auswirkungen auf mein Leben als Frau und Mama? Mein Selbstwert und mein Selbstvertrauen hat stark darunter gelitten. Ich hatte lange das Gefühl: “Ich muss so sein wie andere mich haben wollen, wie mein Vater mich haben will.” Es hat viele Glaubenssätze in mein Kopf gepflanzt, an die ich heute noch, inzwischen erfolgreich, arbeite.

Es hat mich aber auch sehr sensibel dafür gemacht, darauf zu achten meine Kinder nicht als mein Besitz zu sehen. Manche werden jetzt sagen “Natürlich sind unsere Kinder nicht unser Besitz” doch im Alltag gibt es viele kleine Beispiele, die mir zeigen dass Kinder oft nicht als kleine Individuen gesehen werden sondern (zu) uns Eltern gehören.

Auswirkungen auf meine Kinder

Ich versuche jeden Tag dass meine Kinder ihre eigenen Gefühle haben und leben dürfen und nicht die, die ich für angebracht halte. Ich unterstütze sie dabei ihre eigenen Interessen zu finden auch wenn ich es selbst uninteressant oder fragwürdig finde, z.B. Computerspiele, neue Modeerscheinungen oder Ausdrücke. Sie dürfen manches Verhalten auch bei anderen ausprobieren, natürlich bis zu einer gewissen Grenze. Auch wenn es mir manchmal schwer fällt es auszuhalten. Ich sage ihnen meine Meinung dazu und zeige meine eigenen Grenzen aber verkaufe es Ihnen nicht als sollte es ihre sein. Sie dürfen ihre ganz eigenen Erfahrungen sammeln und eigene Fehler machen. Die Fehlern aus denen ich gelernt habe, sind eben meine Erfahrungen. ich kann es mit ihnen teilen aber oft wird es nicht reichen, denn sie brauchen ihre eigenen Missgeschicke um das Leben zu begreifen. 

Und ganz bestimmt sind sie nicht dafür verantwortlich dass ich mich gut fühle, das ich stolz bin, weil sie brav sind, gute Noten schreiben oder immer höflich und Rücksichtsvoll. 

Natürlich freue ich mich wenn sie Werte zeigen, die mir wichtig sind aber sie sollen es nicht für mich machen. Sie machen es mir im besten Falle erstmal nach, leider auch die nicht so guten Angewohnheiten und je älter sie werden und je mehr wir darüber gesprochen haben und sie Erfahrungen gesammelt haben, umso mehr verstehen sie es und entscheiden sich es selbst zu leben oder sich bewusst für ein anderes Verhalten, eine andere Sicht.

Wurzel und Flügel

So interpretiere ich das mit den Wurzel und Flügel. Mein Mann und ich geben ihnen Wurzeln durch unsere Liebe, Fürsorge, Persönlichkeit, Schutz…und gleichzeitig Flügeln mit unserem Vertrauen, Loslassen, Geduld, Ermutigung,…

Ich habe oben geschrieben “ich versuche es jeden Tag” Natürlich gelingt es mir nicht immer. Das werden meine Kinder bestätigen. Gleichzeitig bin ich stolz auf mich, denn es ist und war nicht immer einfach es so zu sehen und zu leben und doch gelingt es mir immer mehr.

Wir sind eine Familie und gleichzeitig 5 Individuen.

Meine Kinder sind nicht meine Kinder. Sie gehören sich selbst!

Beobachtet mal was ihr von euren Kindern erwartet. Dürfen eure Kinder sich zu zu eigenen Persönlichkeiten entwickeln? ist das überhaupt wirklich möglich? Schreibt mir gerne eure Gedanken dazu.

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